"Wenn du in einem Streit gewonnen hast, kannst du das ruhig als Niederlage betrachten" Frank Dejori

„Heut hat er wieder seinen Dickschädel“ - „Zeig ihr mal, wer der Boß ist.“ Solche und ähnliche Sprüche hört man immer wieder in der Reiterwelt. Das Pferd will sich nicht unterordnen, nicht gehorchen, streitet sich mit uns, ist bockig und so weiter. Und wir sollen ja das Pferd nicht „gewinnen“ lassen, hören wir dann.
Doch, um es mit den Worten von Linda’s Schwester Robyn Hood zu sagen, „Was ist der Preis? Was gibt es hier zu gewinnen?"
Wenn ich meinen Schülern diese Frage stelle: „Was hat dein Pferd denn davon, dass es nicht tut was du möchtest?“ überlegen die Meisten erst mal eine Weile. 
"Es muss sich halt nicht anstrengen.“ kommt dann. Und ich frage: „Wirklich?“
Denn in den meisten Fällen gibt es dann erst mal Streit. Da wird gezerrt, geschimpft, gekickt, gehauen ….ziemlich unangenehm für das Pferd. 

Und diesen Preis soll es gern bezahlen, dafür dass es sich jetzt gerade vielleicht nicht richtig biegen „wollte“. Weil das Biegen ja so viel unangenehmer wäre, als all das, was im Streit mit seinem Mensch geschieht???
„Es darf dann wieder auf die Koppel zu seinen Freunden“ ist ein anderer Satz, wenn das Pferd, z.b. nicht alleine vom Hof möchte und der Mensch nachgibt. Und ich frage: „Und warum ist das so viel schöner, als bei dir zu sein? Warum ist das all den Streit hier wert, das Ziehen und Zerren und Kreise laufen und dazu ein ärgerlicher Mensch?“
„Weil es dann machen kann was es will, fressen.“ lautet oft die Antwort. Ja, Pferde fressen gern und lange, dafür ist ihr Verdauungssystem angelegt und sie möchten gern gesund bleiben. Doch sie fressen keine 24 lang. 16 - 18 h reichen. Die eine Stunde kommen sie gut ohne Essen aus. Und selbst 24 h Weide in der Herde ist irgendwann langweilig.

Manche beginnen nun nachzudenken, und erkennen, dass ihr Pferd gar nichts „gewinnt“, wenn sein Mensch mit ihm streitet, egal wie der Kampf ausgeht.

Und was gewinnt der Mensch, frag ich mich, wenn er sich als Sieger fühlt? Das Pferd läuft jetzt dahin wo er will. Super. 
Doch was ist der Preis, den er dafür zahlt? Das Vertrauen ist gebrochen. Denn für das Pferd bleibt die Erfahrung, dass sein Mensch sich nicht im geringsten dafür interessiert, wie es ihm geht, ob es Angst oder Schmerzen hat, oder ob es etwas nicht versteht oder ausführen kann. 

Es hat die Erfahrung gemacht, dass sein Mensch es nicht hört, nicht sieht und nicht versteht. Das es nicht „funktioniert“ hat, wie es sollte. War es das wert? Die Lektion noch mal geritten zu sein? War das Gefühl, dass ich durch diesen Kampf in meinem Pferd auslöse, diese Minute des „Sieges“ wert? Und wie geht es dem Mensch nach diesem Streit? Ist es dieses Gefühl, dass man sich wünscht, wenn man mit seinem Pferd zusammen ist? Das man es „besiegt“ hat? Und es nun weiß, dass es zu dienen hat?
Es ist nicht das Gefühl, nach dem ich suche, wenn ich mit Pferden meine Zeit verbringe. Ich möchte, dass die Pferde ebenso viel Freude und Erfolg haben, in unserer gemeinsamen Zeit, wie ich.

Linda hat mich gelehrt: Wir spielen Detektiv. Wenn das Pferd nicht tut was ich möchte, dann will ich herausfinden woran es liegt. Was ist die Ursache dafür. 

Meine 3 Hauptpunkte: 
Kann es „körperlich“ schmerzfrei ausführen was ich möchte?
Hat es wirklich verstanden, was ich möchte?
Kann es die Aufgabe angstfrei lösen?

In den meisten Fällen liegt die Antwort in einer der 3 Fragen. Manchmal ist eine unerkannte Krankheit die Ursache, oder eine andere körperliche Ursache, manchmal weiß das Pferd nicht wirklich, was es wie machen soll und in anderen Fällen hat es einfach Angst und sie wird nicht erkannt. 
Wer auf die Suche nach den Ursachen geht und sie behebt, und wer sich als der Klügere sieht, der nachgibt, der muss keinen Streit mehr gewinnen, denn er streitet sich erst gar nicht. 
Und ein Pferd, dass sich gesehen und verstanden fühlt, dem man hilft, statt es zu zwingen, wird ein Freund, der mit einem durchs Feuer geht. 

Viele Pferde haben mir in den letzten 20 Jahren gezeigt, wie sehr ich mich auf sie verlassen kann, wenn es mal schwierig wird. Denn sie wissen, dass sie sich auch auf mich verlassen können, wenn es schwierig für sie wird. Und darin sehe ich eine partnerschaftliche Beziehung zum Pferd. Wir sind gleichwertig, wenn es darum geht, dass es uns gut geht und wir tun beide unser Bestes um uns gegenseitig zu unterstützen, zu fördern und eine schöne Zeit miteinander zu haben. 
Sicher bin immer ich es, der die Aufgabe entscheidet, das Wann, das Was, das Wie und Wo. Doch ich entscheide mich für die Aufgaben und Wege, die uns beiden Freude machen und gut tun. Das seh ich als meine Aufgabe, als Mensch im Leben eines Pferdes. Kreativität und Intelligenz sind einige der Eigenschaften, die es uns möglich machen über andere Lebewesen zu bestimmen. Wenn wir sie gut einsetzen, können wir harmonisch und friedlich miteinander leben.

"Wenn du in einem Streit gewonnen hast, kannst du das ruhig als Niederlage betrachten" Frank Dejori

 – mit Anke Recktenwald und Frank Dejori.