Die Turnierreiter und der Freak

Ja, ja, das Etablieren oder auch nur das Tolerieren von neuen Dingen fällt dem Gewohnheitstier Mensch ja bekanntermaßen schwer, aber dass ich mit meiner neu entdeckten TTeam-Methode so auf Granit beiße und derart zum Freak werde - damit habe ich beim besten Willen nicht gerechnet. Vielleicht sollte ich aber mal ganz von vorne anfangen: Alles begann im Jahr 2000 (da war ich noch als ganz normaler Turnierreiter in meinem Reitstall anerkannt), als mir meine Eltern meinen größten Traum erfüllen und mir ein Pferd kaufen wollten. Die Suche dauerte nicht lang, denn ich verliebte mich in das 3. Pferd, welches wir ausprobierten: Alessandria, eine 6-jährige Hannoveraner Stute (im weiteren als „Elli“ benannt). Natürlich wollte ich sofort die große Turnierkarriere starten, denn Elli hat ja schließlich allerbeste Abstammung. Da gab es aber einen Haken: Elli wollte nicht die große Karriere starten. Zunächst dachte ich mir „aller Anfang ist schwer“ und so versuchte ich mit Hilfe meines Reitlehrers und den gängigen Methoden (Sporen, Gerte, Schlaufzügel, etc.) Elli doch noch zu überzeugen, denn schließlich hat der „störrische Bock“ das zu machen was ich will. Und das hieß auch so lange zu reiten, bis er macht was ich will – und wenn dies 3 Stunden dauern sollte. Das Ende vom Lied war, dass Elli noch weniger wollte. Zuerst dachte ich: Der Bock muss weg, für viele Reiter die einzig logische Schlussfolgerung.

Glücklicherweise besitzt der Mensch in der Regel doch so etwas wie Vernunft und Verstand und so dachte ich mir, dass es das doch nicht gewesen sein kann und wollte meiner Elli eine zweite Chance geben. Nur wie? Die Antwort hing kurze Zeit später an der Pinwand in der Reithalle: ein Plakat von einem Kurs mit dem Inhalt Centerd Riding und TTeam mit Anke Recktenwald. Natürlich hielt ich zuerst nicht viel davon, aber in meiner Verzweiflung wollte ich es doch ausprobieren (das sollte aber wirklich die letzte Chance für Elli sein). Gesagt, getan, 3 Wochen später fuhr ich mit absolut zwiespältigen Gefühlen zu meinem ersten Kurs. Nach der Einführung machten wir zuerst Selbstversuche, zum Einen probierten wir TTouches aus und zum anderen auch die Zügelführung, die für mich teilweise eine unangenehme aber einprägsame Lehre war, und zum ersten Mal dachte ich, arme Pferde. Trotzdem noch nicht überzeugt, gingen wir zu den Pferden, um unser Gelerntes an ihnen anzuwenden. Und siehe da, meine überaus nervöse Stute wurde durch die TTouches ruhiger und viel entspannter, und das allein durch Kopfsenken und Abstreichen der Beine mit der Gerte. Zufall dachte ich, Elli hat heute einen besonders guten Tag. Dann ging es zum Aufsatteln und der Frage: „Passt der Sattel? ,Eine essentielle Frage, über die sich in meinem Reitstall vorher keine Gedanken gemacht wurden, der „Bock“ muss nur funktionieren. Vor dem Aufsteigen schnallte Anke mir Gummis zwischen Gebiss und Zügel und der in der Trockenarbeit erklärte Balancezügel kam zum Einsatz. "Hilfe! Was soll ich mit dem Kram? Und so kann ich doch NIE bremsen!" Die Erleuchtung, dass die Gummis gegen meine harte Hand wirken sollten, kam mir erst, als Elli ganz gelassen ihre Runden drehte, ohne panisch vor der Reiterhand wegzulaufen. Und sogar der Balancezügel funktionierte. Auch ich fühlte mich immer wohler, denn es ging auch ohne Ziehen, Zerren, Pieken und Fluchen. Danach folgte Bodenarbeit und ich konnte kaum fassen, dass Elli ohne Panik über Stangen ging (sie hat eine Stangenphobie seitdem ich sie kenne) und das nur mit Hilfe einer weißen Gerte und dem „Eleganten Elefanten“. Vollständig überzeugt war ich aber erst nach dem Halsringreiten. Natürlich dachte ich zuerst, dass das mit der panischen Elli nie klappt und dass ich spätestens nach 10 Sekunden mich wieder auf dem Boden der Tatsachen befinde. Aber schon wieder irrte ich mich. Nach 20 Minuten Halsringreiten sprang Elli sogar, ohne kopflos nach dem Sprung loszurennen. Ich konnte es wirklich nicht fassen!

Voller Euphorie wollte ich diese sanfte, tierfreundliche Methode an meine Reitkollegen weitergeben, denn diese konnte meiner Meinung nach davon nur profitieren. Ich träumte fast schon von einem Reitstall, in dem es kein Fluchen und keine Gewalt mehr gegenüber den Pferden gibt. Es ist ja nicht nötig! Dieser Gedanke war aber ein Schuss in den Ofen, denn anstatt sich alles mal anzuhören, kamen nur blöde Kommentare wie „wozu braucht dein Pferd denn eine Halskette, davon wird es auch nicht normal“ oder „Ich glaube du hast die Bandagen falsch gewickelt, die kommen eigentlich um die Beine!“. Wollte ich die Wirkungsweise erklären, wurde nur gelacht oder abgewunken, ich spinne ja schließlich. Das tat echt weh, denn viele dieser Leute kannte ich schon lange. Aus reinem Interesse ritt ich mal ohne alle Hilfsmittel, und meine Stute ging einfach nur genial, das Einzige, was meinen Reiterkollegen dazu einfiel war: „Oh, hast du ihr doch mal ordentlich den Hintern versohlt!“. Das Einprägsamste war aber, als Elli mal einen schlechten Tag hatte, was ich respektierte (das war vor dem Kurs nicht denkbar) und sie einfach in der Halle frei laufen ließ. Sofort kam kritisch und empört: „Das kannst du doch nicht machen die macht doch sonst immer was sie will!“. Das ging bei mir zu rechten Ohr rein und zum linken wieder raus. Am nächsten Tag ritt ich wieder und Elli ging echt super. Sogar Travers war drin (meine erste M-Lektion, ich war so glücklich). Aber anstatt das Gerede vom Vortag als Fehleinschätzung einzusehen, konnte ich mir anhören: „Haste doch gehört und bist deine Stute noch geritten!“. Das ich die Leute nicht umkrempeln kann, sah ich dann irgendwann ein, aber dass mir keinerlei Toleranz entgegengebracht wurde, war echt hart. So wurde ich auch schon mal gebeten, entweder die Gummis rauszunehmen oder die Halle zu verlassen, das wäre schließlich viel zu gefährlich. Ich meine wenn sie ein panisch und kopflos rumrennendes Pferd als weniger gefährlich empfinden, als ein gelassen, entspanntes, vorwärts-abwärts gehendes, zufrieden kauendes Pferd, dann weiß ich auch nicht. Auch Anregungen bezüglich des TTouches prallen einfach ab. So war nämlich mal ein Pferd im Stall, dass ständig in der Stallgasse hinfiel. Ich als absolut hilfsbereiter Mensch bot meine Hilfe an, indem ich erklärte, dass manche Pferde nicht wissen wo ihre Beine sind und dass man durch Ttouches Abhilfe schaffen könne. Als Antwort bekam ich. „ Das ist doch völliger Humbug, der ist einfach zu dumm zum Laufen!“. Das Ende vom Lied war ein Sehnenriss.

Abschließend kann ich nur sagen, dass ich froh bin ein einigermaßen ausgeprägtes Selbstbewusstsein zu haben, sonst hätte ich meinem Weg bestimmt nicht durchgezogen. So habe ich mich nie von der Tellington-Methode abbringen lassen. Heute kann ich ganz stolz behaupten, dass ich aus einem Problempferd einen absolut verlässlichen Partner gewinnen konnte. Ich bin auch froh dass sich meine Elli nie in eine Form hat pressen lassen, sodass ich diesen Weg habe gehen müssen, sonst hätte ich meine Einstellung wohl nie geändert. TTeam hat mich in positiven Sinne verändert uns so kann ich ruhigen Gewissens sagen: Freak, aber glücklich.